Entlastungsnetz für alle Altersgruppen

Netz der individuellen Entlastung – Bereicherung – Absicherung

Eine Familie, aber auch ein Seniorenpaar oder eine alleinstehende Person hat ein Netz der Alltagsorganisation und der sozialen Absicherung und ist zwingend auf dieses angewiesen, um ihr/sein Leben bewältigen zu können.

Netzwerkfäden sind zunächst vor allem die leibliche Verwandtschaft sowie sehr nahe, verlässliche Freunde. Familien und Verwandtschaften, Eltern und Kinder, Geschwister, Tanten, Onkel, Enkel, Großeltern, etc. leben heute sehr oft weit voneinander entfernt. Dadurch ist dieses familiär-verwandtschaftliche Netzwerk sehr weitmaschig geworden und kann nur noch sehr begrenzt tragen und absichern. Vor allem die Entlastungsfunktion des verwandtschaftlichen Netzes im Alltag ist, auch aufgrund des Drucks zur Berufstätigkeit, sehr zurückgegangen. 

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Aus diesem Grund werden zur Entlastung in verstärktem Maß professionelle Dienstleister ins Netz der Entlastung und Absicherung einbezogen – kommerzielle Dienstleister wie Bäcker, Handwerker, der Hausarzt einerseits und soziale Dienstleister wie Kitas, Sozialstation, Tagesspflege, Betreutes Wohnen, etc. andererseits. 

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Die Entwicklung, dass professionelle soziale Dienstleister Aufgaben und Funktionen übernehmen, die davor vom familiär-verwandtschaftlichen Netzwerk generationenübergreifend wahrgenommn wurden ist seit mehreren Jahrzehnten im Gang und hat zur Professionalisierung im sozialen Bereich beigetragen .
Entlasteten diese professionellen sozialen Dienste familiär-verwantschaftliche Netzwerke in der Vergangenheit reativ kostengünstig, so ist hier schon seit geraumer Zeit eine gegenteilige Entwicklung im Gang, die privat zu bezahlenden Eigenanteile steigen beständig. Mittelfristig kann dieses Entlastungssystem noch so funktionieren, aber es ist heute schon absehbar, dass es schon in naher Zukunft für viele Familien immer schwerer wird, solche Dienstleistungen zu „kaufen“ und sich damit zu entlasten. Insbesondere ab den 2020er Jahren, wenn viele Menschen der (Schwieger-)Elterngenerationen einen zunehmenden Unterstützungsbedarf haben (lange vor einer Pflegebdürftigkeit), können Kinder einerseits die Zeit dafür nicht aufbringen und andererseits nur begrenzt oder gar nicht zur Deckung der Kosten für die professionellen Dienstleistungen beitragen.

Dies wird besonders die Kindergeneration betreffen, die ein geringes bis mittleres Einkommen hat und deren Elterngerngeneration, die wenig Mittel zurücklegen konnten, weil sie das Geld für die Familie und die Kinder gebraucht hat. Somit dünnt sich die entlastende Wirkung durch soziale professionelle Dienstleister wieder aus, die Aufgabe fällt auf die Kinder und, wenn es gut geht, auf die Verwandtschaft zurück – oder die Bedürftigen fallen durch, müssen sehen, wie sie zurecht kommen – ein Szenario, das sich niemand wünschen kann.

Dies ist mit ein Grund, weswegen im Bundesprogramm Mehrgenerationenhäuser I+II+III 2006 – 2020 das Konzept der sogenannten bezahlbaren, haushaltsnahen, familienalltagsentlastenden Klein(st)dienstleistungen entwickelt wurde, über eine Suche-Biete-Börse im Internet umgesetzt. Die zugrunde liegende Idee ist, dass es einen Bedarf an Dienstleistungen gibt, der zwischen dem liegt, was für Familien und verwandtschaftiche Netzwerke einerseits leistbar und für profesionelle Dienstleister anderseits wirtschaftlich interessant ist. Gleichzeitig entsteht ein zunehmendes Potential an Zeit und Kompetenzen durch Menschen in der nachberuflichen Lebensphase, die z.B. als Kleinselbständige gegen geringes Entgelt solche Dienstleistungen erbringen können. 

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Ein weiterer Impuls aus dem Bundesprogramm Mehrgenerationenhäuser ist dahingehend auf den Weg gebracht, dass die o.g. Ressourcen und Potentiale (zivilgesellschaftliches Sozialkapital) unentgeltlich in nachbarschaftlichen Bezügen getauscht werden zwischen Alt und Jung, Famlien und Alleinstehenden, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Dazu ist es notwendig, dass ein Bewusstsein für diese Potentiale entsteht, sich selbstorganisierte nachbarchaftliche Netze verstärkt auf- und ausbauen können. 

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Sozialen Institutionen kommt hier die Rolle zu, diese Entwicklung zu fördern, anzustoßen und ggf. zu begleiten. Sie wechseln aber nicht in die Rolle derjenigen, die diese nachbarschaftlichen Netzwerke organisieren – das Prinzip bleibt die Selbstorganisation. Der informelle Charakter dieser nachbarschaftlichen Netzwerke ist seine Stärke weil unmittelbar bedürfnisnah, sehr flexibel und niederschwellig. Formelle Strukturen, wie sie soziale Institutionen darstellen, haben andere Vorteile.

Mit einer Kombination solcher Netzwerk-„Partner“ wird es einer Familie, einem Seniorenpaar oder einen alleinstehende Person möglich, sich selbst und auch Angehörige oder sich verantwortlich fühlende nahe Freunde zu entlasten, ohne sich finanziell zu überfordern. Und sie haben sogar einen Zugewinn an sozialen Beziehungen und an Lebensqualität, insbesondere durch die nachbarschaftlichen und verwandtschafts-ähnlichen Netzwerkfäden, was eine enorme Bereicherung darstellt.