Sorgende Gemeinschaft – Ressourcen im Sozialraum
Ein Kerngedanke des Mehrgenerationenhaus-Ansatzes ist, dass es in einem sozialen Nahraum (Quartier, Stadtteil) im Bereich der vorhandenen Natürlichen Netzwerke (siehe Grafik unten) vielfältige soziale Ressourcen gibt, die entlastende und bereichernde Funktion im Zusammenleben in diesem Lebensraum haben, dass aber die in diesen Natürlichen Netzwerken enthaltenen Potentiale nicht ausgenutzt sind, dass hier im Sinne einer gegenseitigen Entlastung und Bereicherung über Generationen-, Kultur- und Verwandtschaftsgrenzen hinaus noch viele ungenutzte Möglichkeiten gegeben sind.
Potentiale und Sinnfrage
Diese Potentiale und Ressourcen sind u.a. durch die steigende Anzahl von Menschen in der nachberuflichen Phase gegeben, die sich im Laufe ihres Lebens in Beruf und Familie, durch Engagement in Vereinen, etc. vielfältige Kompetenzen erworben haben („zivilgesellschaftliches Sozialkapital“) und vor der Frage stehen, wie sie die kommenden Lebensjahr(zehnte) für sich nutzen wollen.
Manche finden ihre Aufgabe z.B. im Enkeldienst und entlasten dadurch ihre Kinder. Für viele wird eine solche Möglichkeit aber nicht gegeben sein und es stellt sich dann durchaus die Frage, was denn in den kommenden 10 bis 20 Jahren Sinn und Aufgabe sein könnte, „wofür und für wen bin ich (noch) wichtig?“. Hier entsteht ein Potential, dem Raum gegeben werden kann und muss. Denn ein als sinnvoll empfundenes Leben dient der körperlichen und seelischen Gesunderhaltung, gerade im Alter.
Neue Sicht aufs Ehrenamt
Soziale Institutionen werden vor die Aufgabe gestellt, hierzu ihren Beitrag zu leisten, indem sie attraktive, sinngebende Engagementsmöglichkeiten aufzeigen, vermitteln oder selbst anbieten, die in einer win-win-Situationen ihnen selbst und den Engagierten nützen.
zivigesellschaftliche und professionelle Potenziale zusammen bringen
Der Mehrgenerationenhaus-Ansatz geht davon aus, dass im Moment die Potenziale der informellen Kreise/Netze (primäre und sekundäre Netzwerke – siehe Grafik) und die Potenziale der professionellen, sozialen Akteure oft zu wenig zusammen kommen, z.T. isoliert nebeneinander stehen und dass der beste Effekt für beide Seiten und für den Sozialraum, in dem diese informellen Netze und sozialen Akteure verortet sind, dann entsteht, wenn sie in einen gegenseitigen, ergänzenden Austausch dieser Potenziale und Ressourcen kommen.
Im informell strukturierten Bereich des sozialen Nahraums sind dies u.a. die oben genannten Ressourcen der Älteren, aber auch die der Familien, der Jugend. Die professionellen Akteure haben Räume, Infrastruktur, Kontakte, etc. zur Verfügung.
Erweitertes Verständnis vom eigenen Wirkungskreis
Damit das im Quartier / Sozialraum vorhandene, noch brach liegende zivilgesellschaftliche Sozialkapital aktiviert wird, ist es notwendig,
- dass sich innerhalb der natürlichen Netzwerke (Nachbarschaften, Bekanntenkreise, etc.) das bereits vorhandene Selbstverständnis verstärkt, das familienähnlich Unterstützungs- und Entlastungsleistungen auch über Verwandtschaftsgrenzen hinaus normal und „erlaubt“ sind
- dass professionelle soziale Akteure in diesem Quartier zu ihrer jeweiligen Kernaufgabe hinzu das Selbstverständnis entwickeln, dass sie diese Entwicklung hin zu einem entlastenden, unterstützenden und bereichernden Miteinander der Generationen über Verwandtschaftsgrenzen hinaus aktiv unterstützen.
Rolle sozialer Einrichtungen
Soziale Akteure in einem Quartier sind also im Sinne des MGH-Ansatzes Impulsgeber, Bewusstseinsbildner. Sie nehmen aus der Perspektive ihrer Kernaufgabe heraus Bedürfnisse und Potenziale für ein entlastendes Generationenmiteinander in ihrem Einzugsbereich wahr und bringen diese zusammen. Und sie signalisieren, dass sie diesbezüglich Initiativen von Einzelnen, Gruppen und informellen Netzwerken im Sozialraum aktiv unterstützen mit eigenen Möglichkeiten, durch Vermittlung und/oder durch Anregung von Kooperationen. Ob und was sich aus den angebahnten Kontakt entwickelt, liegt dann aber in der Verantwortung der in Kontakt gebrachten Personen oder Akteure.
Vielfältige Wege und Formen
Hier gilt es, vielfältige Wege und Formen zu entwickeln. Auf diese Weise kann das Entstehen von verwandtschaftsähnlichen Entlastungs- und Unterstützungsstrukturen im sozialen Nahraum gefördert werden und es kann eine „Sorgende Gemeinschaft“ entstehen, in der sich Einzelne wie nachbarschaftliche Netzwerke als wichtigen und geschätzten Bestandteil einer Entlastungs- und Unterstützungsstruktur für alle Altersgruppen sehen.
Nachbarschaften und soziale Einrichtungen als Partner
Professionelle, soziale Akteure leisten ihren Beitrag in diesem Zusammenhang, aber ihre Rolle verändert sich und die Gewichtung verschiebt sich. Beispiel: In einer entwickelten Sorgenden Gemeinschaft ist es möglich, einen begrenzten, „unschwierigen“ Betreuungsbedarf für ein Kind oder einen Senior über informelle Strukturen wie nachbarschaftliche Beziehungen abzudecken. Professionelle soziale Akteure übernehmen intensivere oder „schwierigere“ Aufgaben, die eine informelle Struktur nicht leisten kann. Informelle Strukturen / Netzwerke und professionelle, soziale Akteure sind in einer Sorgenden Gemeinschaft also sich ergänzende Partner, die aktiv zusammen arbeiten und auf diese Weise ein Optimum an gegenseitiger Entlastung, Unterstützung und Bereicherung unter den Generationen in einem Sozialraum erreichen können – auch Kultur- und Milieu-übergreifend.
politisch & gesellschaftlich & finanziell lohnenswert
Für die politische Ebene und die Sozialverwaltung einer Kommune bedeutet dies, dass die strukturelle und finanzielle Unterstützung eines solchen Synergieeffekte generierenden Zusammenwirkens lohnenswert und sinnvoll ist – und angesichts der Effekte des demographischen Wandels für Familien und bezogen auf alle Altersgruppen auch notwendig.